Ein Steuerparadies für Arbeitnehmer?
"Vorteile jeglicher Art" machen in Belgien vieles möglich
Belgien schützt zwar die Vermögen seiner Sparer, doch Lohnempfänger zahlen schnell eine Einkommensteuer von über 50 Prozent. Damit gehören die Steuersätze im Königreich zu den höchsten weltweit. Auch die Sozialabgaben liegen weit über dem Durchschnitt.
Doch nur auf den ersten Blick ist Belgien ein Hochsteuerland für Arbeitnehmer. Pauschalen und Zuschüsse machen die Abgabenlast erträglich. Allerdings kennen selbst die meisten belgischen Arbeitgeber die vielen Möglichkeiten nicht, dem Fiskus ein Schnippchen zu schlagen.
Wie gewinnen Sie eine hochqualifizierte Arbeitskraft für Ihr Büro in Brüssel oder sonst wo in Belgien? Nicht ganz einfach. Ein Blick in belgische Steuertabellen kann Bewerber schnell ernüchtern. Schon ab einem Salär von 34330 Euro (für das Jahr 2009) muss ein Arbeitnehmer mit einer Steuerbelastung von 54 Prozent rechnen – ein Horror für jeden Besserverdienenden.
Für das Einkommen in 2009 lauten die Einkommensteuersätze wie folgt:
Von 0 - 7.900 € |
25 Prozent |
Von 7.900 - 11.240 € |
30 Prozent |
Von 11.240 - 18.730 € |
40 Prozent |
Von 18.730 - 34.330 € |
45 Prozent |
Mehr als 34.330 € |
50 Prozent |
Damit ist Belgien eines der Länder mit den höchsten Steuersätzen der Welt. Rechnet man noch eine Gemeindesteuer von rund 7,5 Prozent hinzu, liegt die maximale Belastung bei 54 Prozent für das Einkommen ab 34330 €. Allerdings ist ein Grundfreibetrag von 6430 € zu berücksichtigen, der sich abhängig vom Personenstand oder der Zahl der Kinder erhöht. Hinzu kommen überdurchschnittliche Abgaben an die Sozialversicherungen.
Lohnverhandlungen mit Taschenrechnern sind häufig die Folge. Wie viel muss der Arbeitgeber drauflegen, damit die neue Arbeitskraft das Nettogehalt in Deutschland erzielt plus eines angemessenen Bonus für den Einsatz fern der Heimat? Nicht selten ist ein fast doppelt so hohes Grundgehalt wie in Deutschland nötig, um den fiskal- und abgabenbedingten Nachteil auszugleichen. Ein teurer Spaß für jeden Arbeitgeber.
Die hohen Steuersätze sind nur die halbe Wahrheit.
Doch die exorbitant hohen Steuersätze sind nur die halbe Wahrheit. Eine Fülle steuerlicher Vergünstigungen macht die Abgabenlast in Belgien wieder erträglich. Zwar ist Belgien noch kein Steuerparadies für Arbeitnehmer. Doch geschickt angewandt ermöglichen die steuerlichen Abschreibemöglichkeiten Nettogehälter, die international konkurrenzfähig sind. Allerdings verlieren selbst belgische Arbeitgeber in dem Dickicht der Sonderregeln schnell den Überblick, ausländische Unternehmen sind da meist verloren.
Dabei ist das Steuersparen in Belgien gar nicht so schwer. Ein gängiges Instrument zur Minimierung der Steuerlast in Belgien sind die „Vorteile jeglicher Art“ (avantages de toute nature). Intelligent eingesetzt, kann ein Arbeitnehmer mit ihrer Hilfe am Monatsende über 80 Prozent mehr in der Tasche haben.
„Vorteile jeglicher Art“ werden in der Regel zusätzlich zum Mindestlohn vergütet. Zwar werden in der Regel auch auf sie Steuern und Sozialabgaben erhoben. Doch werden sie gegenüber den Finanz- und Sozialbehörden in Form einer Pauschale geltend gemacht, schneiden Arbeitnehmer wie Arbeitgeber weit besser ab. Die Pauschsätze liegen nämlich teilweise erheblich unter dem Wert der Vergütungen. Das limitiert die Belastung durch Steuern und Sozialabgaben. Da Prüfungen des konkret angefallenen Aufwands durch die Behörden wegfallen, hat auch die Verwaltung ein Interesse daran.
Eine Pauschale setzt der belgische Fiskus etwa an, wenn der Chef seinem Mitarbeiter ein Firmenfahrzeug oder eine Wohnung für den privaten Gebrauch überlässt oder die Nebenkosten für Heizung oder Strom bezahlt. Gut weg kommt auch, wer sich vom Arbeitgeber PC und den Internetanschluss zahlen lässt.
Stellt das Unternehmen den Pkw, gibt sich die Sozialversicherung mit der CO2-Steuer zufrieden. Monatlich kommen auf den Arbeitgeber Kosten zwischen 20 und 350 € je nach CO2-Ausstoß zu. Der Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung entfällt ganz. Der Fiskus legt für die Berechnung des geldwerten Vorteils eine Pauschale von 5000 Kilometer für Privatfahrten zugrunde. Vorausgesetzt, der Mitarbeiter wohnt nicht weiter als 25 Kilometer von seiner Arbeitsstelle entfernt. Darüber werden 7500 km zugrunde gelegt.
Wohnt der Mitarbeiter 20 Kilometer vom Arbeitsplatz entfernt, ergibt das bei einem Mittelklassewagen einen Gewinn von monatlich mehr als 300 € verglichen mit dem Kaufpreis und den laufenden Kosten. Auch der Arbeitgeber gewinnt dabei. Zwar kann er für Kauf und Betrieb - je nach CO2-Ausstoß - nur zwischen 60 Prozent und 90 Prozent der Kosten abziehen, bei Benzin- und Finanzierungskosten darf er bisher noch 100 Prozent abziehen. Eine Limitierung entsprechend dem CO2-Ausstoß ist auch in diesen Fällen geplant. Eine Nettolohnerhöhung im gleichen Umfang käme ihm aber viel teurer.
Übernimmt der Arbeitgeber die Miete für eine Privatwohnung oder ein Haus, fallen zwar im vollen Umfang Beiträge zur Sozialversicherung an. Für die Steuer wird jedoch ein weit niedrigerer Wert zugrunde gelegt. An Hand einer Formel, die sich am „Kadastralen Einkommen“ (revenu cadastral) der Behausung orientiert, wird ein Wert berechnet, der ähnlich wie der Einheitswert in Deutschland stark unter dem Verkehrswert liegt. So sind schnell weitere hundert Euro steuerfrei gewonnen.
Entsprechend werden vom Arbeitgeber ersetzte Nebenkosten behandelt. Für die Sozialversicherung gilt der volle Betrag, der Fiskus hingegen setzt für die Heizung pauschal lediglich 590 € und für Elektrizität 295 € im Jahr an. Bei den heutigen Energiepreisen ein klarer Vorteil für den Verbraucher. Für Führungskräfte gelten allerdings die doppelten Sätze.
Viele Anschaffungen können einen steuerlichen Gewinn abwerfen.
Bei einem Brutto von 4000 €, monatlichen Kosten für Miete von 1000 €, Heizung und Strom von 120 € sowie für ein Fahrzeug von 500 €, schlagen sich diese drei Posten beim Netto mit 450 € und mehr nieder. Wenn die Firma zusätzlich einen Computer stellt, wird der nur mit 180 € im Jahr für Steuern und Sozialem belastet, 60 € sind es für das Internetabonnement. Für den Benutzer rechnet sich das.
Auch ein Firmenhandy bringt Bares. Die Sozialversicherung beziffert den privaten Vorteil für ein Handy nur mit 12,50 €, was auch der Fiskus oft durchgehen lässt. Sorgt der Patron für die kostenlose Verköstigung seiner Mitarbeiter, fallen Steuer und Soziallasten lediglich von 0,55 € fürs Frühstück, 1,09 € für das Mittagessen und 0,84 € fürs Abendbrot an. Na dann Mahlzeit.
Alternativ kann der Patron lohnsteuer- und sozialabgabenfrei den Essensbon (chèque bzw. ticket repas) ausgeben, mit dem man auch im Supermarkt zahlen kann. Seit diesem Frühjahr sogar bis zu 5,91 € pro geleistetem Arbeitstag, also über 100 € pro Monat. Der Mitarbeiter muss zum Scheck allerdings 1,09 € beisteuern. Der Betrieb kann leider nur 1 € bei sich abziehen.
Weit verbreitet ist die steuerlich begünstigte Gruppenversicherung zur Aufbesserung der Altersversorgung der Mitarbeiter. Nach oben begrenzte Prämien an den traditionellen Feiertagen, wie Nikolaus, Weihnachten, Neujahr oder zur Hochzeit, Geburt, langer Betriebszugehörigkeit oder zum Ruhestand gehören zum guten Ton. Auch ein Darlehen des Arbeitgebers kann ein gutes Geschäft werden.
Dem Erfinden solcher sozialen Vergünstigungen scheinen keine Grenzen gesetzt. Doch oft sind sie an bestimmte Voraussetzungen gekoppelt. Sie reichen vom Zuschuss für das Fitnessstudio (chèque sportif), dem Besuch kultureller Veranstaltungen über den Ökoloscheck für grüne Investitionen bis hin zur Prämie für Innovationen und besonderem Fleiß oder der finanziellen Unterstützung bei einem chirurgischen Eingriff.
Natürlich muss der Arbeitgeber mitspielen, wenn man mit solchen Tricks sein Gehalt aufbessern will. Zwar ist ein stolzer Bruttolohn ein Statussymbol. Doch wo die Schallgrenze für Lohnerhöhungen erreicht ist, bieten diese Vorteile eine Alternative, um Mitarbeiter an sich zu binden.
Damit sind die belgischen Instrumente der Steuerminimierung aber nicht erschöpft.
Ersatz für Kosten, die der Natur nach vom Arbeitgeber zu tragen sind
Die Erstattung so genannter „frais propres à l’employeur“ sind kein Lohn und daher stets von Steuern und Sozialabgaben befreit. So, wenn gegen Beleg dienstlich entstandene Parkgebühren, der Kauf von Büroartikeln, das Abonnement für Fachzeitschriften, Geschäftsgeschenke oder die Beiträge für Berufsverbände erstattet werden. Derartige Kosten können in Form einer Kostenpauschale erstattet werden – was für Lohnempfänger meist vorteilhaft ist.
Ein Klassiker ist die Fahrkostenpauschale bei dienstlicher Nutzung des eigenen Pkw. Derzeit beträgt die Pauschale für den gefahrenen Kilometer 0,3026 €, egal ob ein Kleinwagen oder eine Limousine der S-Klasse in der Garage steht. Für Fahrtkosten zur Arbeit und zurück werden allerdings nur 0,15 € erstattet.
Zum Kilometergeld für Dienstfahrten kommt eine Tages- und Übernachtungspauschale hinzu. Für mittlere Angestellte von derzeit 14,88 € und eine Übernachtungspauschale von 37,60 €. Führungskräfte bekommen etwas mehr, niedrigere Dienstgrade etwas weniger. Weit höher fallen die Pauschalen für Auslandsreisen aus. Für einen Besuch in Berlin oder Köln werden pro Tag 93 € zugestanden, wer nach London fährt 100 €.
Auch Repräsentationskosten können pauschaliert erstattet werden. Etwa Geschäftsessen zu Hause, Einladungen in den Privatclub, Trinkgelder, Beiträge für den Berufsverband, kleinere Geschenke an Geschäftspartner, aber auch Kosten für ein Arbeitszimmer, für die Garage, die Waschanlage, sogar für den Babysitter. Solche Pauschalen können durchaus mehrere hundert Euro ausmachen. Insbesondere bei Führungspersonal in den Unternehmen oder den zahlreichen Lobbyisten in Brüssel liegen solche Ausgaben nahe.
So werden z.B. für ein Arbeitszimmer von der Sozialversicherung 82 € pro Monat anerkannt. Damit sind auch Nebenkosten, Telefon und Kleinmaterial abgegolten. Der Fiskus scheint etwa 75 € zu tolerieren. Für Kleinmaterial erkennt er nochmals 10 € an. Das Finanzamt muss man allerdings von der regelmäßigen und nicht nur gelegentlichen Nutzung eines Arbeitszimmers überzeugen. Solche Pauschalen können schnell einige hundert € erreichen.
Wer einen PC selber anschafft, kann sich vom Dienstherrn neuerdings wegen der gesunkenen Preise nur noch bis zu 760 € erstatten lassen – dies aber steuerfrei. Ab 2010 gilt das Privileg allerdings nur noch für Einkommen, die brutto 29 900 € nicht übersteigen.
Der Missbrauch solcher Instrumente liegt nahe. Sozialversicherung und Steuer sind deshalb sehr wachsam. Wird eine Pauschale zu hoch angesetzt, drohen rückwirkend bis zu fünf Jahren Nachzahlungen von Steuern und Sozialversicherungsbeiträge plus Verspätungszins. Wird übertrieben, kann die Behörde sogar bis zum Dreifachen verlangen. Deshalb ist es vor der pauschalen Abgeltung etwa von Repräsentationskosten ratsam, drei Monaten lang alle Belege vom Hummerkauf bis zu flüssigen Delikatessen zu sammeln, um mit dem Finanzamt über die „Seriosität“ der Ausgaben ein Einvernehmen zu finden. Erfahrungsgemäß hat das Finanzamt dafür Verständnis.
Werbungskosten in der Steuererklärung geltend machen
Wer keine Vergünstigungen erhält, und wem auch keine Erstattungen zustehen, dem bleibt nur das Geltendmachen von Kosten in der Steuererklärung. Wie in Deutschland sind alle Kosten, die dem Erwerb sowie der Sicherung und Erhaltung des Einkommens dienen, als Werbungskosten (frais professionnels) steuermindernd abzuziehen. Wer keine Kosten geltend machen kann, dem steht immerhin eine Pauschale von bis zu derzeit 3590 zu.
0 – 5.190 € |
21,70 Prozent |
5.190 – 10.310 € |
10 Prozent |
10.310 – 17.170 € |
5 Prozent |
ab 17.170 € |
3 Prozent |
Höchstbetrag |
3.590 € |
Wer glaubt, über die Pauschale zu kommen, kann absetzen: Fahrten zur Arbeit, Arbeitszimmer und damit zusammenhängende Kosten, anteilige Nebenkosten oder Grundsteuer (précompte immobilier), Kosten für Renovierung oder Hausmeister, den Umzug, Büromaterial, Ausbildung, Sprachkurs, Fachbücher, Geschäftsessen, Steuerberatung, Telefon, Gewerkschaft, Club, Bank, bestimmte Versicherungen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Fazit
Wer in Europa nur Steuersätze vergleicht, liegt leicht falsch. Die Belastbarkeit der Steuerzahler hat überall seine Schmerzgrenze. Daher sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer gut beraten, sich vom Gerücht „Hochsteuerland Belgien“ zu verabschieden und sich von einem Berater aufklären zu lassen.
Von Walter Grupp
Zuerst veröffentlicht auf Belgieninfo am 25/11/2009.