Neues von der Erbschaftssteuer
Keine Benachteiligung mehr für Deutsche mit Sitz im Ausland
Der deutsche Fiskus hat stets darauf geachtet, Steuerzahlern, die ihrer Heimat den Rücken kehren, das Leben schwer zu machen. Jetzt wird die Bürde der „Expats“ dank eines höchstrichterlichen Urteils etwas leichter. Die aus Deutschland bekannten hohen Steuerfreibeträge bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer für Ehegatten oder Kinder wurden den Deutschen in Belgien weitgehend verwehrt, hohe Steuerzahlungen waren die Folge. Das ändert sich nun.
Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg ist für die Betroffenen von höchster Bedeutung. Es besagt: Bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer dürfen Deutsche, die länger im EU-Ausland leben, nicht weiter benachteiligt werden. Die derzeitigen deutschen Regelungen verstoßen danach gegen den EU-Grundsatz des freien Kapitalverkehrs.
Diesmal traf es eine Tochter, deren Mutter ihr ein Haus in Düsseldorf schenkte. Ein ganz normaler Vorgang. Mit solchen Schenkungen zu Lebzeiten lassen sich die Freibeträge für die Schenkungssteuer in Deutschland mehrmals ausnutzen. Damit wird die spätere Erbschaftssteuer verringert oder gar vollständig eingespart. Das verschenkte Grundstück hatte einen Wert von 255.000 Euro. Statt der vorausberechneten Steuerschuld von damals 3.500 Euro wurde der Tochter überraschenderweise ein Bescheid über stattliche 27.929 Euro zugesandt.
Heimatbesuch reichte nicht
Die Begründung: Mutter und Tochter leben seit über einem Jahrzehnt in den Niederlanden. Zwar hatten Mutter und Tochter immer wieder ihre deutsche Heimat besucht. Das reichte jedoch dem Finanzamt nicht.
Das Finanzamt hat sich auf § 16 Abs. 2 des Erbschaftssteuergesetzes berufen. Der gilt, wenn weder Erblasser oder Schenker noch Erbe oder Beschenkter einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Dann stehen von Eltern bedachten Kindern anstelle von heute 400 000 € nur magere 2000 € steuerfrei zu.
Der Fall kam zum Europäischen Gerichtshof. Dieser ist dafür bekannt, mit einer mutigen Rechtsprechung faire Bedingungen für die Mobilität von Bürgern und Unternehmern über die Grenzen hinweg zu schaffen. Selbst die Kapitalflucht in Niedrigsteuerländer hat er unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit grundsätzlich abgesegnet.
Kapitalfreiheit
Die Übertragung des in Deutschland befindlichen Grundstücks von der in den Niederlanden lebenden Mutter an die Tochter ist für den Gerichtshof ein Fall der Kapitalfreiheit. Sie wird beschränkt, wenn im Ausland lebende Deutsche anders behandelt werden als in Deutschland ansässige und dafür keine sachlichen Gründe vorliegen (Az. C-510/08). Damit steht der hohe Freibetrag grundsätzlich jedem Deutschen zu, egal ob Mutter und Tochter in Deutschland, Brüssel oder Alicante wohnen.
Überflüssig wird damit auch die zweifelhafte Praxis, regelmäßige Aufenthalte an irgendeinem Zweitwohnsitz in Deutschland zu fingieren. Nur EU-Beamte waren seit jeher aufgrund einer Sondervorschrift von diesen Problemen verschont worden. Ihnen standen auch nach dem Umzug nach Belgien die vollen Freibeträge zu.
Der EuGH hat in der Vergangenheit bereits mehrere vergleichbare Regelungen als Verstoß gegen das EU-Recht eingestuft. So muss beispielsweise eine geerbte Immobilie aus dem EU-Ausland genauso behandelt werden wie die Immobilie in Deutschland.
Kein Doppelbesteuerungsabkommen
Allerdings ist zu beachten: Hat der Schenker bzw. Erblasser seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Belgien, kann der belgische Fiskus ebenfalls Rechte anmelden. Für die speziellen Schenkungs- bzw. Erbschaftssteuerzwecke gibt es zwischen Belgien und Deutschland immer noch kein Abkommen, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Belgien rechnet aber in jedem Fall eine ggf. in Deutschland bezahlte Steuer an. Umso mehr gilt es, Übertragungen von Vermögen zu Lebzeiten geschickt zu planen. Vor allem rechtzeitig, denn nach dem Tod des Erblassers ist es zu spät.
Von Walter Grupp
Zuerst veröffentlicht auf Belgieninfo am 30/04/2010.