Ein Erfolgsmodell nur für Besserverdiener?

Der "Expat" in Belgien aus steuerlicher Sicht

 

 

Das Berufungsgericht in Brüssel hat den steuerlich privilegierten Expatriate-Status für illegal erklärt. Die rund 8000 Expatriates, die davon betroffen sind, können jedoch beruhigt sein. Belgien wird alles tun, damit er - so die Steuerbehörde - auch weiterhin fortbesteht.

 

Eigentlich widerspricht es dem europäischen Gedanken, In- und Ausländer unterschiedlich zu besteuern. Doch in Belgien profitieren Tausende ausländische Führungskräfte von einer Sonderbehandlung, ohne die für sie ein Einsatz in Belgien kaum attraktiv wäre.

Ausländer genießen in Belgien beneidenswerte steuerliche Privilegien. Jedenfalls dann, wenn ihr Unternehmen sie in eine belgische Niederlassung abgeordnet hat. Zählen sie zu den „Führungskräften“, können sie ihre Steuerlast bis auf Null drücken. Belgische Manager können da nur vor Neid erblassen. Sie müssen mit einem Spitzensteuersatz von 54Prozent leben – das ist einer der höchsten in Europa.

Attraktive Vergünstigungen
 
Den im Ausland angeworbenen Managern vergütet der belgische Staat die finanziellen Nachteile eines Umzugs nach Belgien über die Steuern. Sie erhalten etwa einen Ausgleich für die Steuerbelastung, die höheren Lebenshaltungskosten und die teuren Mieten. Aber auch Besuche der im Ausland studierenden Kinder, Heimreisen zu Angehörigen oder Verluste bei Vermietung oder Verkauf der Wohnung im Heimatland können steuerlich geltend gemacht werden. Der belgische Staat übernimmt also Kosten, für die eigentlich der Arbeitgeber gerade stehen müsste. Abgesehen von den Schulkosten für die Kinder gilt bei jährlich wiederkehrenden Kosten ein Maximalbetrag von €11.250. Dazu kommt noch die übliche Werbungskostenpauschale von €3.590
 
Eine besondere Gunst gewährt der belgische Fiskus den Expatriates, wenn sie sich im Ausland aufhalten. Dann mindert sich der Steuersatz in Belgien um die dort verbrachten Arbeitstage. Dabei zählt allerdings der erste Tag im Ausland nicht – er gilt als Abreisetag. Je öfter und länger jemand also auf Dienstreisen im Ausland ist, desto geringer fällt seine Steuerlast aus. Dieses Privileg zählt zu einer Reihe von Anreizen, mit denen das Königreich im europäischen Standortwettbewerbs wirbt. Solchen Verlockungen widerstehen auch Entscheidungsträger international operierender Unternehmen nicht leicht. Die Wohltaten gelten auch für Forscher und für andere Experten, die in Belgien schwer aufzutreiben sind. Für Gelehrte hält der belgische Staat sogar ein besonders Bonbon bereit. Zu ihren Gunsten hat er den Maximalbetrag für wiederkehrende Kosten auf €29.750 aufgestockt.

Eingeschränkte Steuerpflicht
 
Um die Missgunst der Einheimischen nicht übermäßig zu provozieren, rechtfertigt der belgische Staat die Steuerprivilegien der Ausländer damit, dass diese nur „beschränkt“ einkommensteuerpflichtig seien. Obwohl sie sich bei der Gemeinde melden müssen, haben sie in Belgien keinen „steuerlichen Wohnsitz“ – sie leben ja nur „vorübergehend“ im Land. Damit folgt das Königreich der Empfehlung des Europarats, den Willen zum „dauerhaften Verbleib“ steuerlich zu berücksichtigen. Nur wenn der Wohnsitz von Dauer ist, besteht „unbeschränkte“ Steuerpflicht. Nach dem Welteinkommensprinzip sind dann alle in- und ausländischen Einkünfte im Wohnsitzstaat zu versteuern.
 
Deswegen erhält ein Ausländer den Status als Expatriate nur nach genauer Prüfung des belgischen Fiskus. Er kontrolliert, ob der Manager nur zeitlich begrenzt eine Aufgabe in Belgien wahrnimmt. Wer eine Filiale aufbaut oder auf Vordermann bringt, baut seine Zelte in seinem Heimatland nicht ab. Nach beendetem Auftrag kehrt er in der Regel zurück. Davon geht der Fiskus insbesondere aus, wenn Frau und Kinder im Heimatland bleiben, wenn dort weiter eine Wohnung unterhalten wird, oder wenn im Herkunftsland Immobilienbesitz und anderes Vermögen vorhanden ist. Das kann auch ein Bank- oder Sparkonto sein, ein Aktiendepot, eine Lebens- oder Pensionsversicherung.
 
Große Bedeutung kommt dem Arbeitsvertrag zu, wenn der belgische Fiskus den Antrag auf den Sonderstatus prüft. Unproblematisch ist es, wenn er eine zeitliche Beschränkung des Aufenthalts in Belgien vorsieht. Ebenso wenn der Mietvertrag die sog. „Diplomatenklausel“ enthält, der bei Versetzung eine vorzeitige Auflösung erlaubt. Ein starkes Indiz für eine Rückkehr ist es auch, wenn die Sozialversicherung im Herkunftsland bestehen bleibt.
 
Sind mehrere Kriterien erfüllt, ist die Absicht, bald wieder nach Hause zurückzukehren, schlecht anzuzweifeln. Dann bejaht die Steuerbehörde in der Regel den Sonderstatus. Dabei verlangt Belgien nicht, dass der Expatriate im Herkunftsland seinen Steuersitz behält. Das kann dazu führen, dass der Steuerpflichtige in keinem Land „unbeschränkt“ steuerpflichtig ist. Er würde dann in Belgien nur eingeschränkt Steuern zahlen und anderswo gar nicht. Das deutsche Finanzamt kennt diese Möglichkeit und ist daher sehr wachsam. 
 
Aber auch in Belgien ist der Status nicht ohne Tücken. Er gilt an sich zeitlich unbegrenzt und wird selbst dann zuerkannt, wenn die ganze Familie mit Frau und Kindern in einer belgischen Stadt wohnt. Die Auslandsreisen werden begünstigt, obgleich die Niederlassung in Belgien bezahlt. Auch die Begrenzung des Status auf ausländische Nationalitäten ist willkürlich.
 
Das Brüsseler Berufungsgericht hat in seinem Urteil vom 21.1.2009 die Regelung vom 8.8.1983 für Führungskräfte als einfaches Verwaltungsrundschreiben zur steuerlichen Begünstigung einer Kategorie von Steuerzahlern abgetan. Da es nicht die Qualität eines Gesetzes hat, wollten die Richter es nicht anerkennen. Auch der Rechnungshof hat 2003 auf Widersprüche zum nationalen und zum europäischen Recht hingewiesen. Würde der Fiskus der Einschätzung folgen, wäre der Status Tausender Begünstigter gefährdet.

Nur etwas für Manager?
 
Eigentlich soll die Sonderregelung dazu dienen, ausländisches Kapital nach Belgien zu locken. Um den Zweck zu erfüllen, muss ein ausländisches Unternehmen Güter herstellen, Dienstleistungen erbringen oder als Forschungseinrichtung tätig sein. Für Informationsbüros oder Repräsentanzen sollen die Wohltaten nicht gelten, ebenso nicht für Verbände. Aber auch Firmen- und Verbandslobbyisten schaffen Jobs. Oft werden Einheimische als Schreibkräfte eingestellt. Deshalb zeigt sich der Fiskus großzügig. Wenn das ausländische Unternehmen neben dem Lobbybüro in Brüssel noch eine Vertriebsniederlassung in Belgien unterhält, hat der Interessenvertreter gute Karten, als Expatriate anerkannt zu werden.
 
Damit ihre Mitarbeiter in den Genuss des Status kommen, geben Verbände im Umfeld der EU-Behörden oft vor, dass sie unter anderem Forschung betreiben. Warum sollen Verbandslobbyisten, die als Projektleiter Forschungsaufträge im Dienst der EU-Kommission durchführen, nicht als Gelehrte durchgehen?
 
Auch ausländische Sachbearbeiter sollten auf das Privileg pochen, wenn sie der Meinung sind, dass sie wegen ihrer Sprachkenntnisse oder ihres Knowhow nicht ohne Weiteres von Belgiern zu ersetzen sind. Wer zudem Nachweise für seinen Rückkehrwillen präsentiert, kann mit Aussicht auf Erfolg einen Antrag stellen. Die Initiative für die Beantragung des Sonderstatus muss allerdings vom Arbeitgeber ausgehen. Da er ein Interesse daran hat, Steuern zu sparen, wird er sich erfahrungsgemäß kaum sperren.
 
Obwohl in Belgien die Zweifel am Sonderstatus für Expatriates zunehmen, wird er wohl auch in Zukunft bestehen bleiben. Denn einen Grund können die Belgier immer anführen: Andere Länder stehen dem Königreich in nichts nach, wenn es darum geht, mit Steuerprivilegien Unternehmen und hoch qualifizierte Arbeitskräfte ins Land zu holen.

 

Von Walter Grupp
Zuerst veröffentlicht auf Belgieninfo am 01/04/2011.