In Belgien mit deutscher Rente
Die Zeiten, in der die gesetzliche Rente als Einkommensquelle für den Lebensabend langte, sind vorüber. Für viele gilt nur noch „mehr sparen und länger arbeiten“. Zwar werden im Juli die Renten in Deutschland um zwischen 4 und 5% erhöht. Belgien hat bereits 2% aufgestockt. Der Abstand zwischen Arbeitseinkommen und Renteneinkommen nimmt aber weiter zu.
Desolat wird es, wenn auch noch das Finanzamt tüchtig mitverdienen will.
Waren früher Renten in Deutschland steuerfrei, wird seit 2005 der zu versteuernde Rentenanteil für neue Rentner mit jedem Jahr größer. Im Hochsteuerland Belgien zahlt man allerdings seit jeher auf die volle„pension“ Steuer. Auch die Rente mit 67 ist beschlossene Sache. In Deutschland wird das Rentenalter stufenweise angehoben. Seit 2012 um einen Monat jedes Jahr, in Belgien in zwei Etappen bis 2031. Ist man endlich im Ruhestand angekommen, haben Empfänger deutscher Renten, die in Belgien leben, oft schon bittere Erfahrungen gemacht. Es flatterten Steuerbescheide oft rückwirkend über mehrere Jahre vom deutschen Finanzamt ins Haus. Damit war das Maß für so manchen richtig voll.
Das Doppelbesteuerungsabkommen
Wer in Belgien wohnt, zahlt normalerweise dort auch seine Steuern. Eine Ausnahme gilt aber für Renten aus gesetzlichen Rentenkassen – so von der Deutschen Rentenversicherung oder den Versorgungswerken. Für Leistungen von solchen „hoheitlichen“ Zahlstellen bleibt der deutsche Fiskus zuständig – genau das Finanzamt Neubrandenburg, bei dem die Zuständigkeit für die Auslandsrentner zentralisiert ist. Die deutsche Zuständigkeit ist im Deutsch-Belgischen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) in Art. 19 Abs. 3 geregelt.Ruheständler mit solchen Bezügen haben den Status eines „beschränkt Steuerpflichtigen“. Das hört sich nach Vergünstigung an, ist es aber nicht.
Einem Rentner in Deutschland steht normalerweise ein Grundfreibetrag von 8 652 € (2016) zu. Einem Verheirateten sogar das Doppelte. Dafür ist nicht einmal eine Steuererklärung abzugeben. Dazu gilt das günstige Ehegattensplitting. Einem Auslandsrentner werden solche Vergünstigungen so ohne weiteres nicht gegönnt. Er muss seine Rente ab dem ersten Euro versteuern. Umso mehr gilt es für die Senioren daher abzuchecken, ob Ausnahmen von dieser ungünstigen Regel in Frage kommen, so z.B. wenn neben der deutschen Rente keine nennenswerten anderen Einkünfte in Belgien vorhanden sind.
Die 90-Prozent-Hürde
Wer den Nachweis liefern kann, dass 90% seiner Einkünfte im Jahr der deutschen Einkommensteuer unterliegen, wird behandelt, wie seine Altersgenossen mit Sitz in Deutschland – so § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes. Dafür muss aber in Neubrandenburg ein Antrag gestellt werden. Die Einreichung des im Internet (www.formulare-bfinv.de) abrufbaren normalen Steuerformulars für „unbeschränkt Steuerpflichtige“ genügt.
Nun wird man seinen Lebensabend nicht wegen der Sonne oder der niedrigen Lebenshaltungskosten in Belgien verbringen. Viele sind hängengeblieben, weil sie von Ihrem Arbeitgeber ins Königreich versetzt wurden oder weil bessere Berufsaussichten reizten. Dann hat man im Zweifel eine zweite Rente in Belgien erworben. Diese unterliegt aber nicht den deutschen sondern den belgischen Steuern. Dann wird es schwierig mit der 90% Hürde.
Die Freibetragshürde
Eine weitere Ausnahme gilt, wenn das Einkommen in Belgien, das dort versteuert wird, unter dem deutschen Freibetrag liegt. Also unter 8 652 € (2016). Nicht mitgezählt wird aber, was auch in Deutschland steuerfrei wäre. So ist ein Anteil an der Rente in Deutschland steuerfrei.
Der steuerfreie Rentenanteil wird für die Neurentner mit jedem Jahr kleiner.
Alle, die bis Ende 2005 in Rente gingen, müssen die Hälfte der gesetzlichen Rente versteuern. Das bleibt so für den Rest des Lebens. Wer aber in 2006 in Rente ging, muss, so lange er lebt, bereits 52% seiner Rente versteuern. So erhöht sich der zu versteuernde Rentenanteil für jeden der späteren Jahrgänge um 2%. Und das bis 2020. Danach steigt er jedes Jahr nur noch um 1%. Bis 2040. Ab dann sind alle Neurentner zu 100% steuerpflichtig.
Wer dieses Jahr in Rente geht, zahlt bereits auf 72% seiner Rente Steuern. 28% bleiben aber für immer steuerfrei. Rentenerhöhungen werden allerdings stets voll versteuert. Das gleiche gilt auch für Witwen-, Waisen- und Erwerbsminderungsrenten.
Diese Formel ist jetzt auch auf die belgische Rente, die von einem Sozialversicherungsträger kommt, anzuwenden. Der steuerfreie Anteil bleibt stets unberücksichtigt. Auch wenn die belgische Rente also etwas über dem Freibetrag läge, kann man die Hürde dennoch nehmen.
Bescheinigung des Finanzamts nötig
Um nachzuweisen, dass man mit seinen belgischen Einnahmen unter 10% bzw. unter dem Betrag des deutschen Grundfreibetrags liegt, wird eine Bescheinigung vom belgischen Wohnsitzfinanzamt verlangt. Die Vorlage des belgischen Steuerbescheids reicht aber aus. Denn wer immer seinen Alterssitz in Belgien hat, muss in der Regel sämtliche Einkünfte dem belgischen Finanzamt gegenüber noch einmal erklären. Egal aus welchem Land die Einnahmen stammen oder welchen Hintergrund sie haben (sog. Welteinkommen).
Mit diesen Angaben errechnet das Finanzamt dann auch den ggf. anzuwendenden sog. Progressionsvorbehalt oder die belgische Gemeindesteuer.
Belgien verdient immer mit – der Progressionsvorbehalt.
Zwar darf Belgien auf eine gesetzliche deutsche Rente keine Steuern verlangen. Diese sollen ja in Deutschland bleiben. Der belgische Fiskus lässt aber nichts aus. Wer immer belgische und deutsche Einnahmen hat, muss damit rechnen, dass er in Belgien auf sein belgisches Einkommen wenigstens einen höheren Steuersatz zahlen muss als der Rest der Belgier. Das DBA erlaubt, den Steuersatz zu verlangen, der gelten würde, wenn alles in Belgien verdient worden wäre. Also inklusive der deutschen Rente. Dieser Steuersatz ist oft viel höher (Progressionsvorbehalt). Es gibt nicht viele Fälle, die der deutschen Steuer unterliegen, wenn man in Belgien wohnt. So etwa noch Mieteinnahmen, wenn sie aus einer in Deutschland liegenden Immobilie herrühren.
Hat der Ruheständler noch eine Zusatzversorgung – so z.B. eine Betriebsrente von einem privaten Unternehmen oder eine Riesterrente, wird aber darauf die normale belgische Steuer erhoben.
Riesterrente
Man muss recht alt werden, damit eine Riesterrente Gewinne abwirft. So etwa Bank- oder Fondssparpläne, private Rentenversicherungen, Direktversicherungen und andere zertifizierte Formen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Steuern, aber auch die Kommissionen der Vermittler manchmal nicht nur die Zulagen und Zinsen, sondern sogar einen Teil des Kapitals wieder aufzehren. Diese Erträge sind in Belgien zu versteuern. Womöglich kommt entgegen, dass Belgien bei der Steuer auf Vermögensanlagen großzügiger ist als Deutschland.
Die staatliche Förderung der Riesterrente durch Deutschland, also die Zulagen, musste man in der Vergangenheit zurückzahlen, wenn man ins Ausland ging. Wer aber innerhalb des EU – Raums, also z.B. nach Belgien umgezogen ist, darf alles dennoch behalten. Das hat der Europäische Gerichtshof so entschieden.
Gemeindesteuer
Auch wenn für Renten die deutsche Steuerhoheit gilt, dürfen belgische Gemeinden dennoch Ihren Tribut verlangen. Das kann auch nicht anders sein. Denn wer in Belgien wohnt, der nutzt die Infrastruktur seiner Gemeinde, die kostet. Aber auch in Deutschland kommt ein Teil den Gemeinden zugute. Deren Dienste nützen dem in Belgien lebenden Ruheständler aber wenig. Daher war ein Zusatzabkommen zum DBA notwendig (vom 5. November 2002). Die belgischen Gemeinden und Agglomerationen dürfen danach zur Deckung Ihrer Kosten ihre eigenen Steuern auch weiterhin vom Rentner fordern. Normalerweise werden diese in Belgien als Prozentsatz von der belgischen Einkommenssteuer erhoben. Abhängig von der Gemeinde bzw. dem Ballungsgebiet liegt sie zwischen 6 und 9%. Dieses Abkommen sieht aber vor, dass dann von der in Deutschland fälligen Steuer 8% abgezogen werden dürfen.
Das ist billig und recht.
Um diese belgische Steuer für die Gemeinde und das Agglomerat feststellen zu können, nimmt der belgische Fiskus die deutsche Rente und rechnet darauf fiktiv die belgische Einkommenssteuer aus. Von diesem Betrag verlangt dann z.B. Wezembeek-Oppem 7,5% als Gemeindesteuer (zum Steuersatz für die anderen Gemeinden: http://finances.belgium.be/sites/default/files/downloads/taux-taxe-communale-2015.pdf ).
Wohnsitz in Deutschland aktivieren
Wer all diesen Fragen um die beschränkte Steuerpflicht aus dem Weg gehen will, könnte sich noch fragen, ob er nicht noch eine alte Bleibe bzw. einen Wohnsitz in Deutschland hat oder wieder aktivieren kann. Wer sich dann nur vorübergehend in Belgien aufhält, dem stehen alle deutschen Vorzüge sowieso offen. Dann bekommt er in Deutschland per se den günstigeren Status als unbeschränkt Steuerpflichtiger.
Wer dann allerdings eine 2. Residenz bei einer Gemeinde in Belgien anmeldet, muss damit rechnen dass er im Zweifel auch dafür zu einer besonderen Steuer herangezogen wird – bis zu rund 1000 € und mehr im Jahr, abhängig von der Gemeinde.
Die Rente im Vergleich
Rentner mit höheren Bezügen aus der deutschen Rentenversicherung können sich im Vergleich zu Empfängern belgischer Renten noch glücklich schätzen.
Die deutsche Rente orientiert sich streng am Einkommen im Berufsleben. Die Sozialversicherungsbeiträge sind durch einen Höchstbetrag begrenzt. Wer derzeit im Westen monatlich mehr als 6200 €, im Osten 5400 € verdient, zahlt maximal dennoch nur die Beiträge, die sich an diesen Höchstbeträgen ausrichten. Anders in Belgien. Die Beiträge orientieren sich zwar auch nach dem Einkommen, steigen aber unbegrenzt bzw. „ungedeckelt“ mit dem Einkommen. Dennoch ist die Rente für einen Alleinstehenden auf derzeit maximal 2238,71 € in Belgien beschränkt. Die maximale Rente in Deutschland läge zum Vergleich bei etwa 2800 €, die allerdings kaum jemand erreicht. Dafür müsste man bei gleichbleibendem Einkommen und 45 Jahre arbeiten. Jedenfalls bekommt aber ein Besserverdiener in Deutschland für seine Beiträge mehr zurück.
Belgien finanziert mit den höheren Einkommen eine Mindestrente. Damit versucht Belgien, die Altersarmut in den Griff zu bekommen. Die belgische Mindestrente nach voller Karriere liegt derzeit für einen Alleinstehenden bei 1 145,80 €. Auch die deutsche SPD hat sich schon mit einer solchen Forderung nach einer Mindestrente hervorgetan. Die derzeitigen Vorschläge lägen aber im Ergebnis mit nur rund 880 € weit niedriger als in Belgien. Nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherung blieben nur rund 780 € übrig, kaum mehr als die Sozialämter zusammen mit Wohngeld und Heizen zahlen. An dem belgischen Modell könnte sich aber auch Deutschland ein Beispiel nehmen. Wenigstens wäre damit so manchem Kleinstrentner an seinem Lebensabend der Weg zum Sozialamt erspart.
Von Walter Grupp
Zuerst veröffentlicht auf Belgieninfo am 11/04/2016.