Neues von Erbschafts- und Schenkungssteuer
Noch vor nicht allzu langer Zeit musste eine Witwe in Brüssel nach dem Tod ihres Partners bisweilen zu all dem Leid auch noch den Familiensitz versilbern, um die Erbschaftssteuer zahlen zu können.
Ebenso waren auch die Kinder oft kaum in der Lage, das Vermögen der Eltern zu halten, wenn diese nicht schon zu Lebzeiten gewagte Steuerkonstrukte bis hin zu Scheingeschäften riskiert hatten, nur um eine spätere Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer zu umgehen. Ihre Bemessungsgrundlage und Höhe wird im europäischen Vergleich kaum noch übertroffen.
Dazu siehe näher auch:
Ganz anders als in Deutschland: Erbrecht in Belgien
Der Spitzensatz von 30% für Ehegatten und Kinder fängt in Brüssel und Wallonien bei 500.000,01 Euro an. Flandern steht dem mit einem Spitzensatz von 27% bereits ab 250.000,01 Euro in keiner Weise nach. In Deutschland hört der Freibetrag bei 500.000 Euro für die Ehefrau gerade mal auf. Jetzt sind Schenkungs- und Erbschaftssteuersätze in Belgien für Familienmitglieder erheblich gesunken.
Keine Erbschaftsteuer für das gemeinsam bewohnte Heim, wenn der Partner stirbt
Das fortschrittliche Flandern hat das Erbe des Ehepartners am gemeinschaftlichen Heim schon seit längerem vollständig von der Erbschaftssteuer befreit. Später folgten auch die anderen Regionen diesem Beispiel. Brüssel seit 2014, dann auch Wallonien mit einigen Abstrichen.
Wer sich als Familiensitz mit seinem Partner also eine teure Villa am Bois de la Cambre geleistet hat oder sich in einer der bevorzugten Straßen in Ixelles, Uccle oder Woluwe St. Pierre niedergelassen hat, dazu kinderlos ist, der steht heute in Belgien womöglich sogar besser da als in Deutschland.
Wer in Wallonien seinen Alterssitz wählte, für den gilt die Freistellung des Partners von der Erbschaftssteuer nur bis zu einem Grundstückswert von 160.000 Euro. Alles was darüber liegt, wird mit einem fürs gemeinsame Heim wenigstens reduzierten Satz belastet. Er beginnt bei 5%, steigt dann ab 175.000,01 Euro auf 12%, dann 24%. Was über 500.000 Euro liegt, wird mit 30% recht stark belastet. In Deutschland läge die Forderung des Finanzamtes wegen des Freibetrags gerade einmal bei ungefähr einem Viertel davon.
Für Deutsche und Österreicher sind die belgischen Erbschaftssteuersätze, weil sie nach den verschiedenen Regionen unterschiedlich ausfallen, fast immer überraschend und oft unbegreiflich. Viele Immobilienkäufer merken jetzt – zu spät – wie wichtig es in Belgien sein kann, beim Kauf eines Hauses oder Appartements rechtzeitig unter steuerlichen Gesichtspunkten an die Lage des neuen Eigentums zu denken. Zu den aktuellen Erbschaftssteuertarifen in den verschiedenen Regionen gibt der nachfolgende Link in seiner linken Spalte unter „Droits de succession“ Auskunft:
Jede Region macht was sie will
In Flandern müssen die Partner wenigstens ununterbrochen 3 Jahre vor dem Todeszeitpunkt einen gemeinsamen Haushalt geführt haben, andernfalls gelten ungünstigere Sätze. In Brüssel genügt es, wenn die Partner im Todeszeitpunkt dort ihren gemeinsamen Hauptwohnsitz hatten. In Brüssel und Wallonien muss der Verstorbene dort 5 Jahre lang mit seinem ersten Wohnsitz gemeldet gewesen sein.
Eingetragene Partnerschaften werden Ehepartnern gleichgestellt. Im liberalen Flandern genügt für die Freistellung sogar eine faktische Partnerschaft. Dann muss das Zusammenleben mit einem gemeinsamen Wohnsitz von mindestens einem Jahr vor dem Todeszeitpunkt nachgewiesen werden.
Für Kinder gilt diese Vergünstigung der vollständigen Befreiung nicht. Für den Fall, dass eine Familienwohnung zum Erbe der Tochter oder des Sohnes zählt, hat Wallonien wenigstens dafür ausdrücklich besonders ermäßigte Eingangssätze für die Familienwohnung vorgesehen. Diese beginnen für die Kinder mit 1% für die ersten 25 000 Euro, steigen dann auf 2% und bleiben immerhin bis 175 000 Euro bei niedrigen 5%. Danach wird es wieder kostspielig.
Gesenkte Schenkungssteuer
Seit dem 1.1.2016 wurde die Schenkungssteuer jetzt in allen Regionen vermindert. Nach den Flamen haben seit diesem Jahr auch die Region Brüssel und Wallonien die Schenkungssteuer erheblich gesenkt, was insbesondere für die Schenkung von Immobilien interessant ist. Sie lag lange mit dem hohen Erbschaftssteuersatz gleichauf.
Handschenkungen sind in Belgien seit jeher steuerfrei. Der häufigste Fall sind Geldgeschenke, ganz anders als in Deutschland. Das verführte in vielfältiger Weise dazu, die Erbschaftssteuer zu umgehen. Schenken Eltern ihrer Tochter steuerfrei Geld, damit das Kind das Traumhaus in Knokke für die Eltern erwerben soll, ist die Erbschaftssteuer praktisch schon umgangen. Nach dem Tod der Eltern zählt die Villa nicht zum Erbe. Das Kind hat die Villa nicht geerbt, sondern gekauft – selbst wenn die Eltern darin bis zu ihrem Tod residierten oder es vermieteten. Allerdings fordert der Fiskus in solchen Fällen mannigfache Nachweise.
Auch war es verbreitet, Kaufverträge mit Vater oder Mutter abzuschließen, wobei allerdings keines der Elternteile die Absicht hatte, jemals ernsthaft einen Kaufpreis zu verlangen.
Das waren Praktiken, die oft genug scheiterten. Das „geschenkte Geld“ wurde vom Fiskus mangels sauberer Nachweise einfach der Erbschaft hinzugerechnet, mit dem Ergebnis horrender Erbschaftssteuer. Oder es wurden Kaufverträge als Schenkung requalifizert, mit dem genauso schlechten Ergebnis der Nachzahlung von exzessiven Schenkungssteuern.
Überflüssige Verbiegungen
Künftig sollen solche Verbiegungen überflüssig sein. Mit der Senkung der Schenkungssteuer soll der Anreiz für solche Umgehungsgeschäfte genommen werden. In Flandern hat man damit bereits beste Erfahrungen gesammelt. Das Aufkommen der Schenkungssteuer hat sich verdreifacht. In Brüssel zahlt man jetzt bei der Schenkung eines Hauses mit einem Wert von 200 000 Euro an sein Kind statt 17.635 Euro nunmehr nur noch 9.000 Euro. Die bislang 3 Steuertabellen wurden auf 2 reduziert. Die eine gilt für die Nächsten, also Ehepartner und Kinder. Die andere gilt für alle anderen.
In Brüssel gelten seit dem 1. Januar 2016 folgende Tarife:
Für Kinder und Ehegatten bzw. eingetragene Lebenspartner ist es unerheblich, ob es sich bei der Schenkung um den Familiensitz handelt oder nicht. Das Finanzamt berechnet als Schenkungssteuer in Brüssel
Von 0,01 – 150.000 Euro 3%
150.000,01 – 250.000 Euro 9%
250.000.01 – 450.000 Euro 18%
Über 450.000 Euro 27%
Für alle übrigen Personen gilt der Eingangssatz von 10%, bei Werten von über 450.000 Euro erreicht die Schenkungssteuer dann den Spitzensatz von 40%. Das bedeutet immerhin eine Halbierung des bisherigen Spitzensatzes von 80% für die Schenkung unter Nichtverwandten.
Für Flandern gelten die gleichen Sätze wie für Brüssel. In Wallonien haben sich die Sätze für die Übertragung des Familiensitzes ebenfalls reduziert. Haben die Eltern allerdings noch andere Immobilien oder Vermögen neben dem gemeinsamen Heim, sollten sie überlegen, ob es nicht besser ist, mit der Übertragung solcher Werte an die Nächsten zu beginnen. Der Familienbesitz wird ja in Wallonien im Todesfall an den Lebenspartner weitgehend steuerfrei bzw. recht günstig an die unmittelbaren Nachfahren vererbt.
Die neuen seit dem 1.1.2016 geltenden Schenkungssteuertarife für Kinder, Ehepartner und eingetragenen Partnerschaften für den Familienwohnsitz sind:
0,01 Euro – 25.000 Euro 1%
25.000,01 Euro – 50.000 Euro 2%
50.000,01 Euro – 100.000 Euro 4%
100.000,01 Euro – 175.000 Euro 5%
175.000,01 Euro – 250.000 Euro 9%
Darüber folgen 18%, dann 24% bis der Spitzensatz von 30% bei 500.000 Euro beginnt.
Zu den aktuellen Schenkungssteuertarifen im Vergleich zu den alten Tarifen in den verschiedenen Regionen siehe die linke Spalte unter „Donnation d’immeuble“ – „Droits de donation“ auf: https://www.notaire.be/donations-successions/donation-d-immeuble
Die 3 – Jahres Regel
Je mehr verschenkt wird, desto höher der Steuersatz. Die geschenkten Werte werden in Belgien während 3 Jahren (in Deutschland sind es immerhin 10 Jahre) zusammengerechnet. Danach wird der progressive Steuersatz wieder auf null zurückgesetzt. So ist in Belgien verbreitet, das Vermögen scheibchenweise zu übertragen. Immer nur so viel, damit der progressive Steuersatz für die Schenkung verkraftet werden kann. Stirbt das Elternteil innerhalb der 3 Jahre, werden die Geschenke dem Erbe hinzugerechnet. Dann kann es teuer werden. Dagegen half nur eine Versicherung für „fiskale Risiken“, die aber ebenfalls kostet.
In Brüssel wurde allerdings die Zurechnung für den wichtigen Fall der schenkweisen Immobilienschenkung abgeschafft. Egal, ob der Schenker innerhalb der 3 Jahre stirbt oder nicht. Wallonien denkt ebenfalls darüber nach.
Keine Hinzurechnung von Handschenkungen im Fall der Registrierung
Die steuerfreie Handschenkung wird durch die Übergabe vollzogen. Dafür kommen in Betracht neben Geld, auch Schmuck, Aktien, Obligationen, bis hin zu Gemälden, Antiquitäten, Sammlungen u.ä.
Auch in diesem Fall wird hinzugerechnet, wenn der Erblasser innerhalb der 3 Jahresfrist stirbt. Können die Nachfahren den Zeitpunkt der Übergabe mittels z.B. schriftlicher Unterlagen nicht nachweisen, sind auch solche Gegenstände dem Erbe hinzuzurechnen. Das kommt nicht selten vor.
Wer diesem Risiko entgehen will, dem bleibt nur die Registrierung der Schenkung. Dabei fällt zwar eine Registrierungssteuer an. Diese fällt aber in Anbetracht des Risikos des Vorversterbens eines ernsthaft kranken Schenkers gering aus. Selbst wenn eine neue Schenkung innerhalb des 3 Jahreszeitraums gemacht wird, werden registrierte Schenkungen nicht mehr zusammengerechnet. Bei diesen Steuern handelt es sich im Gegensatz zu den obigen Tarifen um fixe Sätze.
Für die Region Brüssel und für Flandern gelten
3% bei Schenkungen in gerader Linie sowie zwischen Ehepartnern und eingetragenen Partnerschaften. In Flandern genügt das Bestehen einer faktischen Partnerschaft; 7% zahlen alle anderen Personen.
In Wallonien gelten
3,3% in gerader Linie sowie zwischen Ehepartnern und eingetragenen Partnerschaften
5,5% für Schenkungen zwischen Brüdern und Schwestern, Onkeln und Tanten, Neffen und Nichten
7,7% für Schenkungen zwischen allen anderen Personen
Es gibt einige Ausnahmen – so in Wallonien für bestimmte Wertpapiere.
Notarielle Registrierung der Schenkung beim Notar angeraten
Die Registrierung kann zwar bei der zuständigen Behörde ohne Notar vorgenommen werden. Es bedarf lediglich der Nachweise, welche die Handschenkung dokumentieren. Wird der Schenkungsakt vor dem Notar vollzogen, gilt dieses Datum. Andernfalls gilt das Datum der Zahlung der Steuer. Das kann im Extremfall entscheidend sein, wenn der Tod naht.
Die Bedeutung der belgischen Entwicklung
Das belgische Schenkungs- und Erbschaftssteuerrecht weist gegenüber Deutschland viele Unterschiede auf. Diese zeigen sich in den erheblich abweichenden Hinzurechnungsfristen von nur 3 Jahren in Belgien gegenüber den langen 10 Jahren in Deutschland. Auch die verschiedenen Freibeträge und Nachlässe in Belgien sind hier zu erwähnen, gerade weil sie in Anbetracht der großzügigen deutschen Freibeträge von 500.000 für Ehegatten und 400.000 Euro für Kinder kaum nennenswert sind. Dank des Steuerwettbewerbs in Europa und insbesondere des ausgebrochenen Wettbewerbs auch zwischen den drei Regionen innerhalb Belgiens hat sich eine für die Steuerzahler günstige Annäherung der Steuersätze nach unten ergeben. Dies gibt Anlass zur Hoffnung, dass die Steuern in Belgien noch weiter sinken könnten
Von Walter Grupp
Zuerst veröffentlicht auf Belgieninfo am 28/07/2016.