Belgiens Bankgeheimnis ist perdü

Nun nimmt der deutsche Fiskus EU-Beamte ins Visier

 

Um nicht auf der OECD-Liste der Steueroasen zu landen, will Belgien ab 2010 beim Informationsaustausch zwischen den Finanzbehörden der EU-Mitgliedsländer mitmachen. Es zeugt von Sinn für legislative Ironie, wenn Autoren eines Gesetzes zu dessen Opfern werden.

Im Fall der EU-Zinssteuer-Richtlinie könnte das jetzt eintreten. EU-Beamte, die sich das umstrittene Gesetzeswerk ausgedacht haben, könnte zum Verhängnis werden, dass der belgische Staat auf Druck der großen Industriestaaten sein Bankgeheimnis preis gibt.

 

Dagegen hatte sich die belgische Regierung lange gesträubt. Während alle anderen EU-Länder seit Mitte 2005 die Zinserträge ausländischer Sparer automatisch an deren Heimatländer melden, gibt das Königreich keine Informationen weiter. Zum Schutz seines Bankgeheimnisses hat es wie Luxemburg und Österreich in der Zinsrichtlinie eine Ausnahmeregelung durchgesetzt. Im Gegenzug verpflichtete sich Belgien, von den Sparerträgen ausländischer Anleger eine Quellensteuer von derzeit 20 Prozent einzubehalten und großteils an deren Heimatländer abzuführen. Daran wollte sich die Regierung eigentlich bis Mitte 2011 und darüber hinaus halten. Grund: Obwohl Belgien eine der höchsten Einkommensteuern der Welt hat, hat es auch steuerparadiesische Züge, besonders wenn es um die Belastung von Vermögen geht.

Das Spiel auf Zeit hat die Finanzkrise jetzt abrupt beendet. Da die Steuereinnahmen dramatisch einbrechen und viele Länder sich gleichzeitig massiv verschulden, machen sich die Finanzminister der G20-Staaten nun ernsthaft daran, Steueroasen auszutrocknen. Ausländer aus den EU-Staaten müssen zittern, wenn sie in Belgien Zinserträge erzielten, sie aber dem heimischen Fiskus verschwiegen haben.

Auch deutsche Steuerpflichtige müssen damit rechnen, dass ab Neujahr in Belgien Zinsen auf Sparbuch- oder Festgeldguthaben dem deutschen Fiskus gemeldet werden. Das Bundeszentralamt für Finanzen erhält dann vom belgischen Finanzministerium neben dem Zinsbetrag auch den Namen des Kontoinhabers, dessen Adresse, Angaben zur Bank sowie die Kontonummer.

Risiko für Amtsträger der EU

Das könnte besonders die vielen deutschen Bediensteten bei den EU-Institutionen treffen. Sie betrachtet der deutsche Fiskus wie ganz normale Steuerpflichtige, wenn es um Zinseinkünfte geht. Diese müssen sie jährlich zum 31. Mai ihrem letzten zuständigen Finanzamt in Deutschland erklären – nur wer die Hilfe eines Anwalts oder Steuerberaters in Anspruch nimmt, kann mit einer Verlängerung der Abgabefrist bis zum Jahresende rechnen.

Deklariert werden müssen alle Einkunftsarten in Deutschland, egal aus welchem Land sie stammen. Dazu gehören Zinsen ebenso wie Spekulationsgewinne – aber auch Verluste, deren Angabe wegen der Steuer mindernden Wirkung besonders wichtig sein kann. Einzig die Vergütungen der EU-Behörden sind davon ausgenommen. Die Bediensteten zahlen schließlich eine eigene, meist recht geringe Steuer an die Institutionen.

Hatte ein EU-Beamter mit deutschem Pass auch in der Bundesrepublik Zinseneinnahmen, war es in der Vergangenheit so, dass die deutschen Geldinstitute sie in Unkenntnis der verzwickten Steuerlage häufig wie Ausländer behandelten, die von der Steuer meist völlig freigestellt sind. Viele deutsche Amtsträger in Brüssel gingen davon aus, dass es mit diesen Vergünstigungen seine Ordnung habe – ein Irrglaube. Denn Steuerpflichtige in Deutschland sind verpflichtet, selbst für die ordnungsgemäße Versteuerung der erzielten Erträge zu sorgen. So müssen sie die Steuererklärungsformulare bei ihren zuständigen Finanzämtern selbst beschaffen und ausfüllen. Das gilt auch dann, wenn Quellensteuer im Ausland abgeführt wurde.

Feine Unterschiede

Kein Problem hat, wer noch in diesem Jahr seine Zinseinkünfte oder Spekulationsgewinne aus Belgien oder dem übrigen Ausland in seiner Einkommensteuererklärung dokumentiert. Denn erlangen die deutschen Finanzbehörden durch den Informationsaustausch erstmals Kenntnis von ausländischen Konten und Depots, kann dies Nachfragen provozieren, wie deren Erträge in der Vergangenheit versteuert wurden.

Allerdings wird der belgische Fiskus nicht alle Erträge den deutschen Finanzämtern melden. Weiter gegeben werden auf ein Konto eingezahlte oder gutgeschriebene Zinserträge einschließlich Wertpapierzinsen – nicht jedoch Dividenden oder Spekulationsgewinne. Bei Fonds ist nur der Teil der Erträge, der auf Zinseinnahmen entfällt, mitzuteilen, sofern das Institut diese Erträge getrennt ausweist.

Hat ein Deutscher in Belgien nur ein Depot mit Aktien und Aktienfonds, dann fallen dessen Erträge nicht unter das Informationssystem der Zinsrichtlinie. Er hat dann keine Meldung an sein Finanzamt zu befürchten – es sei denn, es fallen auf dem Wertpapierverrechnungskonto Habenzinsen an. Letztere sind auch dann, wenn es sich um Bagatellbeträge handelt, meldepflichtig. Dadurch kann die deutsche Finanzverwaltung über ausländische Konten und Depots Kenntnis erlangen. Liegt der Habenzinssatz jedoch bei 0 Prozent erfolgt keine Meldung.

Steuerbeichte

Reicht dies nicht aus, um die Steuervergangenheit zu bewältigen, bleibt reuigen Sündern immer noch die Selbstanzeige. Wer nicht deklarierte Einnahmen freiwillig nachmeldet, bleibt straffrei. Die Finanzbeamten stellen jedoch die hinterzogenen Steuern plus einen Jahreszins in Rechnung. Strafbefreiend wirkt die Anzeige allerdings nur, wenn die Tat noch nicht entdeckt ist. Sobald der Fiskus etwa durch eine Kontrollmitteilung oder den Informationsaustausch auf illegale Konten stößt, wirkt die Beichte allenfalls strafmildernd.

Ein Tipp: Je übersichtlicher die Nachmeldung, desto wohlwollender zeigen sich die Beamten. Wer beichten will, sollte jedoch an der Hinterziehung Beteiligte informieren. Denn straffrei bleibt nur der Erklärende, Mittäter müssen mit unangenehmen Nachfragen rechnen.

Schuld und Sühne

Ist ein Steuerdelikt auch durch Nachmeldung nicht mehr zu korrigieren, können eventuell die Verjährungsfristen helfen. Eine Steuerhinterziehung ist verjährt, wenn die so genannte Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Allerdings ist es nicht immer einfach festzustellen, wann die Frist zu laufen beginnt. Sie beträgt bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, strafrechtlich endet die Verjährungsfrist nach "nur" fünf Jahren. Die gleiche Frist gilt bei Steuerverkürzung, etwa wenn unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht wurden.

Nur bei Hinterziehungen „in großem Ausmaß“, wenn der Fiskus um mehrere hunderttausend EUR geprellt wurde, droht eine Freiheitsstrafe. Im Regelfall verhängen die Gerichte eine Geldstrafe, sofern das Steuerstrafverfahren nicht wegen Geringfügigkeit eingestellt wird.

Um dem argwöhnischen Auge des deutschen Fiskus zu entgehen, hätten Bundesbürger ihre ausländischen Konten und Depots auflösen und in Länder außerhalb der EU übertragen müssen, welche der Meldepflicht nicht unterliegen. Doch auch im EU-Ausland gibt es für Deutsche die Möglichkeit, den Steuerfahndern zu entkommen. Weil Quellensteuer und Meldepflicht nur für Zinserträge gelten, nicht aber für Dividenden oder Kursgewinne, können Anleger mit Hilfe findiger Banker ihre Portfolios steuergünstig umschichten.

Doch absolute Sicherheit gibt es nicht. Die Finanzminister der großen EU-Staaten suchen derzeit nach Möglichkeiten, auch die letzten Schlupflöcher zu stopfen. Wer also wirklich ruhig schlafen will, sollte reinen Tisch machen. Nur wer dem Fiskus bis zum Jahresende alle Kapitaleinkünfte mitteilt, ist vor Nachstellungen der Steuerfahnder sicher.

 

Von Walter Grupp
Zuerst veröffentlicht auf Belgieninfo am 09/08/2009