Für Steuerwettbewerb in Europa
Alle Jahre wieder machen die EU-Institutionen einen Vorstoß, um sich eigene Steuereinnahmen zu verschaffen. Dazu kommt noch das notorische Bestreben, die unterschiedlichen Unternehmenssteuern in den Mitgliedsländern auf das gleiche Niveau zu bringen. Seit jeher setzt der Europäische Bund der Steuerzahler, kurz TAE (Taxpayer‘s Association of Europe) alles daran, damit es nicht so weit kommt. Denn sowohl eine EU-Steuer wie eine Harmonisierung von Unternehmenssteuern führen nur zu weiteren Belastungen der Steuerzahler.
Bis heute hat die EU keine Kompetenz, Steuern und Abgaben zu erheben. Ihre Kasse wird in erster Linie durch Beiträge der Mitgliedstaaten gefüllt. Sie darf sich nicht verschulden. Dennoch wird z.B. die Erhebung einer EU- Finanztransaktionssteuer diskutiert. Diese würde bei vielen Steuerzahlern auch Akzeptanz finden. Die Steuer auf die in Frankfurt oder London abgewickelten Transaktionen soll aber nicht den deutschen oder englischen Steuerzahlern zugute kommen. Sie sollen gleich in die EU-Kasse mit unbekanntem Schicksal verschwinden.
Mit EU-Steuern steigt die Steuerlast
Auch eine Steuer auf Energie bzw. CO2-Ausstoß soll gleich in den EU-Haushalt fließen und nicht unmittelbar dem Schutz unserer fragilen Umwelt dienen. Der Steuerzahler wird damit nicht nur mit verpesteter Luft, sondern noch dazu mit Energiesteuern belastet.
Ein Irrglaube ist, wenn die Steuerbürger meinen, dass sich auf diese Weise ihre sowieso bezahlten Steuern reduzieren. Z.B. könnte man die Mehrwertsteuer in den Mitgliedstaaten stutzen. Das wäre aber einmalig in der Geschichte. Neue Steuern sind fast immer kumulativ. Auch die Steuer auf Schaumwein zur Finanzierung der Flotte im ersten Weltkrieg gibt es noch. Nicht aber die Flotte. Weiter stellt sich die Frage, was passiert, wenn es bei EU-Steuern zu Steuerausfällen kommt. Dann bleibt nur noch das Schuldenmachen. Das soll aber verboten sein.
Sobald der EU das Recht zusteht, eigene Steuern zu erheben, liegt nahe, dass der Reformdruck und der Zwang zum Sparen nachlassen. Zwar ist das bisherige Finanzierungssystem geprägt von Rabatten und Korrekturen bei der Beitragsfestsetzung der Mitgliedsländer zum EU-Haushalt. Aber es gibt nicht nur den Britenrabatt. Auch Deutschland profitiert von einem Rabatt. Dieses ständige Anpassen ist nicht der schlechteste Weg, um zu gerechten Beiträgen zu kommen. Er ist jedenfalls günstiger für den Bürger.
Diesmal ist eine „hochrangige Gruppe“ mit dem Italienischen Expräsidenten und früheren Kommissar Monti an der Spitze betraut, solche neue Geldquellen und Bürden für die Bevölkerung voranzutreiben. Um die notwendige Einstimmigkeit zu erzielen, bräuchte es aber der Stimme von Wolfgang Schäuble, der solchen Plänen bereits eine Absage erteilt hat. Von den Engländern, die mehr Eigenständigkeit der EU ablehnen, kommt weiter Unterstützung. Der Europäische Bund der Steuerzahler ist zugange, weitere Verbündete gegen zusätzliche Belastungen zu finden.
Die Harmonisierung von Steuern führt nur zu höheren Steuern
Auf hohe Zustimmung stoßen allerdings bei den Steuerzahlern die Bemühungen der EU um die Schließung von Steuerlücken, welcher sich Apple, Amazon oder Google und andere clevere Globalplayer bedienen. Es kann nicht sein, dass Google auf seiner Website in Hamburg für einen Küchenhersteller wirbt, dieser dann aber eine Rechnung von Google aus Irland bekommt, von wo die Gewinne sogleich ins Steuerparadies nach Bermuda weitergereicht werden.
Mitgliedstaaten haben manchmal bis in die Kolonialzeit zurückgehende Verbindungen zu fernen Eiländern, die heute ihr Auskommen als Steueroasen haben. Einige befinden sich bekanntlich sogar mitten in Europa – Andorra, Lichtenstein oder Monaco. Es kommt vor, dass die Steuerlast von Unternehmen oft ganz legal bis auf 1% gedrückt wird.
Scheinheilig, doppelbödig und überflüssig
Viele Steuerregeln stammen aus der Zeit vor der der Mitte des letzten Jahrhunderts, in dessen Verlauf weitgehend nur mit Waren gehandelt wurde. Von Internethandel war damals keine Rede. Dass jetzt aber Google & Coals als Vorwand herhalten müssen, um eine Steuerharmonisierung in Europa voranzutreiben, ist scheinheilig, doppelbödig und überflüssig. Steuerwettbewerb ist das Konkurrieren der Länder untereinander, Unternehmenssteuern zu senken, um die Standortattraktivität zu verbessern. Entfällt dieser, können die Steuern nur steigen. Einen gesunden Steuerwettbewerb gibt es sogar innerhalb von Deutschland bzw. zwischen den Gemeinden bei der Gewerbesteuer. Österreich hätte z.B. die Körperschaftsteuer von 34% auf 25% nicht gesenkt, wenn nicht das Nachbarland Slowakei damals mit niedrigeren Steuern gepunktet hätte (derzeit 22%).
Diesmal will die Kommission zwar nicht, wie einige Zeit her, gleich die Steuersätze der Mitgliedsländer gleich machen, womit sie gescheitert ist. Diesmal soll es nur um die Harmonisierung der Steuerbemessungsgrundlage gehen. Aber auch das Angleichen der Bemessungsgrundlage hat regelmäßig Einfluss auf die Steuerhöhe. Wie können über Jahrzehnte gewachsene nationale Regeln, die den länderspezifischen Besonderheiten Rechnung tragen, vereinheitlicht werden?
Es stellen sich zahllose Detailfragen. So nach der Abziehbarkeit wichtiger Kosten, wie im Bereich Forschung und Entwicklung, der Bewertung von Pensionsrückstellungen, der Gewinnermittlung für Personengesellschaften oder den Auswirkungen für die Gewerbesteuer in Deutschland, um nur einige Beispiele zu nennen.
Die Steuern auf unternehmerische Gewinne sind in allen wichtigen Industrieländern seit Mitte der achtziger Jahre wegen des weitgehend fairen Steuerwettbewerbs auf allen Ebenen deutlich und ununterbrochen gesenkt worden, unter dem Strich im Durchschnitt von 48 % im Jahr 1982 und auf 33 % im Jahr 2003. Auch der Europäische Gerichtshof hat sich dafür ausgesprochen, dass es die Niederlassungsfreiheit zu nutzen gilt. Dass eine Kapitalgesellschaft im Ausland gegründet werden darf, auch wenn nur wegen der niedrigeren Steuern. Für sich allein genommen stellt das keinen Missbrauch dar.
Gewinne verschieben
Um die übertriebenen Steuergestaltungen der Multis einzuschränken, ist keine Harmonisierung von Steuervorschriften in ganz Europa erforderlich. Aus dem klammen Italien kommt ein Vorschlag, wie Internet-Firmen wie Google, Amazon, e-bay, oder Yahoo dort in die Pflicht genommen werden sollen. Solche Firmen werden veranlasst, nur noch über eine im Land steuerlich angemeldete und damit kontrollierbare Agentur im Netz zu werben und zu verkaufen. Auf diese Einnahmen wird dann die sogenannte „Google-Steuer“ erhoben. Damit ergäbe die Abwanderung wegen niedrigerer Steuern in andere Länder keinen Sinn mehr. Auch dem ebenfalls verfolgten Ziel einer Steuererhebung am Ort der Wertschöpfung wäre damit Rechnung getragen.
Meistens werden aber Gewinne verschoben mit Zinszahlungen und Lizenzgebühren. Das lässt sich noch einfacher vermeiden. Nämlich mit der Pflicht zur Abführung der Steuer an der Quelle beim Schuldner, eben bevor Zahlungen in einer Steueroase landen. Das komplizierte EU-Recht wie die EU- Zins- und Lizenzrichtlinie darf dazu nicht im Widerspruch stehen. Diese EU-Regeln wollen aber in erster Linie nur eine Doppelbesteuerung vermeiden. Darüber besteht Einigkeit. Niemand will zweimal Steuern zahlen.
Das kleine Café nebenan darf daher darauf hoffen, dass der Kaffeekonzern Starbucks auf den Ertrag aus jeder Tasse „Apple Crumble Latte“ oder „Mocha Frappucino“ bald die gleichen Steuern zahlt. Ohne Gefahr neuer europaweiter Belastungen.
Von Walter Grupp
Zuerst veröffentlicht auf Belgieninfo am 01/07/2015.